Ausflug ins Literaturmuseum in Marbach
Warum reisen wir? Ist es die Suche nach Abenteuern, die uns in die Ferne zieht? Oder suchen wir uns selbst? Wollen wir uns einfach nur vom Alltag erholen? Oder jagen wir Bildern hinterher, die uns auf social media in den Bann ziehen – nur um dann entzaubert und ratlos am Ort der Sehnsucht zu stehen?
Begückend, bewusstseinserweiternd, ernüchternd – Reisen kann so vieles sein, und so erstaunt es nicht, dass sich auch die Literatur durch die Jahrhunderte mit diesem Thema beschäftigt. Die Basiskurse J1 hatten einige Facetten des Themas in der Einheit „Reiselyrik“ kennengelernt. Zum Abschluss stand Ende Februar ein Workshop im Literaturmuseum in Marbach auf dem Programm – hier wurden die Schüler*innen nicht nur selbst zu Reisedichtern, indem sie zunächst über die unterschiedlichen Funktionen und Arten des Reisens reflektierten und daraufhin dann Haikus schrieben.

Sie beschäftigten sich auch in Zweierteams mit ausgewählten Originaldokumenten von bekannten und weniger bekannten deutschsprachigen Schriftsteller*innen – von Hermann Hesse über Thomas Mann bis Nina Hagen -, die Einblicke in ihre Reisen gaben. Eine ganze Palette wurde hier sichtbar: hier die überstürzte und erzwungene Reise ins Exil, dort eine lang ersehnte Bildungsreise, die von Eifersüchteleien überschattet war – und auch eine (akribisch dokumentierte) „Reise ins Innere“ mit Hilfe bewusstseinserweiternder Substanzen war dabei.
Auf den ersten Blick wirkt das Literaturmuseum wenig spektakulär. Spannend wird es dann, wenn die Erkenntnis einsickert, dass man die ganzen Briefe, Reiselisten, Fotos, Zeichnungen, Tagebucheinträge wie eine Zeitmaschine funktionieren, die die Schriftsteller*innen auf einmal ganz nahbar und real machen. Mit all ihren Sorgen, Sehnsüchten und Hoffnungen, die sich von unseren gar nicht so sehr unterscheiden.
Vielleicht lag es auch daran, dass auf der Rückfahrt nach Cannstatt – wie ein Schüler staunend bemerkte – „die Gespräche viel deeper waren als auf der Hinfahrt“? Dann hätte sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt.



Text und Bilder: Dr. Kirsten Esser